911 SPC

Unter der Sonne des Südens

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Die Worte Porsche und Portugal kommen nicht oft in einem Satz vor. Im Zentrum von Lissabon ist jedoch über mehrere Generationen etwas sehr Spezielles entstanden.
Sportclasse 911 SPC
© Thomas Esveld

Die Geschichte der Familie Nunes beginnt in den Sechzigerjahren, als Andre Nunes Großvater Americo eine Lehre als Karosseriebauer bei einem örtlichen Händler begann. Hier nahm auch seine Rallye- und Rennsportkarriere mit Porsche ihren Anfang, denn er verliebte sich in einen heruntergekommenen 356. Der erforderte zwar eine Menge Arbeit, aber nachdem er es geschafft hatte, ihn fahrbereit und zumindest rennstreckentauglich zu machen, nahm er damit an den Wochenenden an einigen lokalen Veranstaltungen teil. Um es kurz zu machen: Aus diesen bescheidenen Anfängen ging ein zehnfacher portugiesischer Rallyechampion hervor.

Dazu kamen etliche Erfolge bei Rundstreckenrennen mit von ihm vorbereiteten Fahrzeugen. Darunter waren ein 356 Carrera 2000 GS/GT, ein 906, ein 2.7 RS und ein 911 ST.

Americos Sohn Jorge nahm zwar nicht in diesem Maße am Rallye- oder Rennsport teil, aber er führte die inzwischen gut etablierte Verbindung zum Hersteller Porsche fort. In den Achtzigern machte er sich einen Namen mit der Entwicklung und dem Verkauf von 356-Speedster-Nachbauten auf VW-Käfer-Chassis sowie mit der Wartung von Porsche-Fahrzeugen aus Portugal.

VIER 911 SPC FÜR KUNDEN

Mitte der Neunzigerjahre reagierte Jorge auf eine Marktlücke, da es zu dieser Zeit keinen offiziellen Porsche-Händler in Portugal gab. Er gründete SportClasse, ein Unternehmen, das sich auf die Wartung und Instandhaltung von Porsche-Straßenfahrzeugen, die Restaurierung von Klassikern und die Vorbereitung von Rennwagen spezialisiert hat. Im Jahr 2024 feierte die Firma ihr 30-jähriges Bestehen – für Americo Nunes Enkel Andre der perfekte Zeitpunkt, um eine weitere Kreation aus den Hallen von SportClasse zu präsentieren. Den 911 SPC.

Bis dahin hatte es immerhin fast fünf Jahre gedauert, bis aus der Idee ein fahrfähiger Prototyp und rund eine Handvoll verkaufter Fahrzeuge wurde. Andre Nunes hatte schon während seiner Ausbildung in Motorsporttechnik in Großbritannien über dieses Projekt nachgedacht und Pläne geschmiedet. Von Anfang an war es sein Ziel, ein Auto zu entwerfen, das eine Brücke zwischen den Generationen schlägt. Einfach, aber schön. Abgespeckt, aber nicht spartanisch. Ein Porsche ohne Fahrhilfen, bei dem alle Befehle vom Fahrer kommen, ohne dass man das Gefühl hat, es handele sich um ein reines Wettbewerbsfahrzeug.

© Thomas Esveld

Nach Andre Nunes Meinung liefert die G-Serie die perfekte Ausgangsbasis. „Hier findet man immer noch ein erschwingliches Auto für ein solches Projekt, was man von den 964 längst nicht mehr behaupten kann“, sagt er. Er weist aber auch darauf hin, dass der 911-SPC-Umbau bei jedem luftgekühlten Modell vorgenommen werden kann, von der ehrwürdigen F-Serie bis hin zum 993.

Praktischerweise hatte er auch einen Kandidaten, der schon seit einigen Jahren in der Werkstatt stand und auf ein neues Leben wartete. Er war ein Rallye- und Rennwagen gewesen und erforderte umfassende Arbeiten, bevor man ihn wieder richtig fahren konnte.

Die erste und technisch am wenigsten anspruchsvolle Aufgabe bestand natürlich darin, alles in Einzelteile zu zerlegen und alle beschädigten oder korrodierten Teile auszusondern, sowie die Karosserie an bestimmten Stellen zu verstärken, um ihr zusätzliche Steifigkeit zu verleihen.

Sportclasse 911 SPC in Lissabon
© Thomas Esveld

NÄCHSTE AUSBAUSTUFE KOHLEFASER

Der Motor stammt aus einem älteren 911, es wurde sehr viel Arbeit investiert. Der 911 SPC sollte an die Alte Schule anknüpfen – und die höchste Motorausbaustufe dieser Zeit fand sich wohl im damaligen und mittlerweile legendären RSR. Dazu ließ Nunes den Hubraum von 2,7 auf 2,8 Liter vergrößern, verbaute eine Doppelzündung und eine elektronische Einspritzanlage (EFi-System) mit Einzeldrosselklappen. Die Leistung liegt bei etwa 300 PS, was Andre Nunes als ordentlich, aber nicht als übermäßig einstuft.

Die Kraftübertragung erfolgt über ein 915-Getriebe. Mit der aktuell verbauten Übersetzung liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 260 km/h, aber die Geschwindigkeit auf der Geraden hatte nie eine hohe Priorität.

SportClasse hat bisher vier 911 SPC gebaut, die alle eine Stahlblechkarosserie erhielten. Ein fünftes Exemplar entsteht derzeit unter Verwendung von Kohlefaserelementen. Der Austausch des Metalls gegen ein moderneres Material bietet eine um 30 % höhere Festigkeit und eine signifikante Einsparung von 100 bis 150 Kilogramm, was bei einem Auto, dessen Gewicht bei rund 1.000 kg liegt, eine ganze Menge ist.

Beim Fahrwerk standen natürlich etliche Hersteller und Abstimmungen zur Auswahl. Da der 911 SPC zum Teil als Hommage an die Rallyetage des Großvaters Americo konzipiert wurde, lag sportliche Härte nahe, aber am Ende machte eine gemäßigte, alltagstaugliche Abstimmung in Kombination mit einer deutlichen Tieferlegung das Rennen. Nunes montiert moderne Räder der Größe 17 Zoll. Sie sind mit einem Satz Pirelli P-Zeros bestückt in den Größen 225/45 vorne und 255/40 hinten. Der 911-SCP-Prototyp verfügte noch über originale RSR-Bremsen, aber inzwischen kommen Vierkolben-Bremssättel von Brembo zum Einsatz.

© Thomas Esveld

Zu seinen aktiven Zeiten fuhr der Großvater sein 2.4-S-Rallyeauto mit einer RSR-Abgasanlage mit drei Endrohren: zwei gerade, die den Abgasstrom direkt ins Freie leiteten und das eigentliche gebogene Auspuffrohr auf der linken Seite. Wurden bei den beiden geraden Rohren die Abdeckungen entfernt, umging das Abgas den Schalldämpfer. Durch den geringeren Gegendruck verfügte der Motor über eine bessere Leistungscharakteristik, war aber wesentlich lauter.

„Ich habe lange daran getüftelt, wie man das mit einem Schalter lösen kann, der vom Fahrersitz aus betätigt wird und die Klappen im Auspuff öffnet und schließt“, sagt Andre Nunes. Für ein soundstarkes, intensives Fahrerlebnis kann der Schalter auf Bypass gestellt werden. Für den Alltagsbetrieb, wo der Lärm unangenehm sein könnte, genügt ein einfaches Umschalten und es ist sofort viel leiser. Die am Heck montierte Montageleuchte, die früher im Reparaturfall Licht spendete, ist ebenfalls eine Erinnerung an die Rallyeautos des Großvaters.

© Thomas Esveld

VIERLITER-MOTOR IN ARBEIT

Andre Nunes möchte jeden 911 SPC für jeden Kunden absolut maßgeschneidert gestalten. „Jeder luftgekühlte 911 kann in einen 911 SPC verwandelt werden. Motoren können wir ab einem Hubraum von 2,8 Litern anbieten, aktuell arbeite ich an einem Vierliter-Motor. Und natürlich gibt es so ziemlich jede Fahrwerksabstimmung, die man sich wünscht.“

Für den ersten Prototyp wählte er eine schiefergraue Karosserie mit einer roten Lederausstattung. „Es war die Lieblingsfarbe meines Vaters und erinnerte ihn an seine Zeit als kleiner Junge in der Werkstatt. Das war pure Nostalgie.“ Andre Nunes ist eher ein Fan der leuchtenden Farben der Siebziger- und Neunzigerjahre. Er hat bereits einen orangefarbenen 911 SPC gebaut, aber die letzte Ausbaustufe in Mintgrün mit Entenbürzel sieht noch ausgefallener aus.

© Thomas Esveld

Der 911 SPC sollte schlicht und ergreifend ein reiner Porsche sein. „Meiner Meinung nach weiß man bei 180 km/h in einem 992 GT3 RS nicht, wer am Steuer sitzt, weil er so viele Fahrhilfen hat. Aber beim 911 SPC hört man, sobald man den Schlüssel umdreht, wie der Motor zum Leben erwacht. Wenn man fährt, muss man einfach auf alles achten. Man muss beide Hände am Lenkrad haben. Man spürt alles. Genau so liebe ich es.“

Als nach diversen Testfahrten in einem halbfertigen Auto und unzähligen Probefahrten nach jeder Veränderung das Auto endlich fertig war, stellte sich bei Andre Nunes eine tiefe Zufriedenheit ein. „Nach so vielen Jahren Arbeit das Projekt abzuschließen und ein Auto zu haben, das ich nicht mehr aufhören wollte anzuschauen, geschweige denn zu fahren, macht mich natürlich sehr stolz. Aber es war auch eine Menge Arbeit die mit einigen CAD-Entwürfen und einem halbtoten, vierzig Jahre alten Auto begann. Es folgten die Jahre des Wartens und Abwartens, als Corona alles durcheinanderbrachte, und schließlich haben die erheblichen Preissteigerungen die Fertigstellung des Autos sehr schwierig gemacht.“

Die mintgrüne Version, für die der Kunde den bekannten Entenbürzel gewählt hat, fällt sofort ins Auge und wir machen eine Probefahrt. Wir kämpfen uns durch den Berufsverkehr ins Umland zu den Straßen, die für einen richtigen Test eines Porsche geeignet sind. Beim Beschleunigen auf der atemberaubenden Küstenstraße demonstriert Andre Nunes den Auspuffschalter, der den 3,6-Liter-EFi-Motor im Heck so herrlich nach Rennsport klingen lässt. Die Leistung des Motors in dieser Ausbaustufe liegt bei 320 PS.

© Thomas Esveld

Zurück in der Werkstatt betrachten wir das Auto. Es begann in den Sechzigern, als Andres Großvater einen ramponierten 356 mit dem Hammer bearbeitete, führte über seinen Vater, der vor dreißig Jahren das Unternehmen SportClasse gründete und jetzt hat Andre sein eigenes Auto gebaut. So viel steht fest: Allen drei Generationen Nunes würde der 911 SPC gefallen. Gestern, heute und morgen.


Dieser Artikel erschien in Ausgabe 1-2025 mit vielen weiteren Bildern - und anderen spannenden Artikeln.

Text: Robb Pritchard | Übersetzung: Manfred Kolb

© Thomas Esveld
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