Boxster + Boxster S Typ 986

Jugend-Liebe

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Der ewig junge Boxster ist knapp über 20 und damit im besten Alter. Was der 986 an Fahrspaß, Dynamik und Design bietet, ist für weniger Geld im Porsche-Kosmos derzeit nicht zu bekommen. Eine Ausfahrt mit offenem Verdeck beweist, dass es mehr vielleicht auch gar nicht braucht.

© Roman Rätzke
Der Porsche Boxster, das Urmodell, ist tatsächlich schon ein Klassiker. Nicht die Zeit hat ihn dazu gemacht, so alt sieht er ja auch gar nicht aus. Es waren der Fortschritt und die Moderne mit all ihren Zwängen. Ein Porsche wie der Ur-Boxster mit Sechszylinder-Boxermotor ohne Aufladung gilt heute bereits als tradierter Wert an sich. Damit wechselt der 986 in die Rolle des Liebhaberstücks, das Umdenken hat begonnen!

© Roman Rätzke
76.500 Mark kostet der Boxster im Oktober 1996, und obwohl Arktissilber nicht zu den Serienfarben (Schwarz, Gletscherweiß, Indisch-rot, Pastellgelb, Blautürkis) gehört, tragen es heute gefühlte 95 Prozent aller 986 der ersten Generation. Liegt es an den Pressebildern? Die zeigen, mal fahrend, mal im Studio vor einer Wand in modischer Terrakotta-Schwammwischtechnik, einen Boxster in Arktissilber mit einer Ausstattung in Boxsterrot, einem Farbton, der auch gut "Hummer" heißen könnte. Die einen nennen es klassisch, andere vielleicht beliebig ‒ in jedem Fall ist die Kombination typisch Boxster und kleidet ein frühes Modell von 1997 heute deshalb mit selbstverständlicher Anmut.
Schlank und kompakt sieht ein 986 aus jeder Perspektive aus. Die Ansicht von schräg hinten ist die Schokoladenseite des Boxster, der Schwung der hinteren Kotflügel und Heckleuchten in Kombination mit dem mittigen Endrohr ist besonders gelungen. Im Gegensatz zum größeren 996 wirkt die baugleiche Front jedoch immer ein Stück zu lang, aber irgendwo müssen die Wasserkühler des Sechszylinders ja Platz finden.
Obwohl ein Boxster tatsächlich größer als der 993 ist, der in den ersten Jahren nebenan noch vom Band lief, ist er heute klein. Praktisch ist er sowieso, schon allein wegen der zwei gut nutzbaren Kofferräume: groß genug für zwei plus Urlaubsgepäck, ausreichend kompakt für den Einsatz in Citylagen und Altstadtgassen.

IM 986 GEHT DIE SONNE AUF

Wie das Auto auf den Pressefotos trägt unser Ur-Boxster hübsche optionale 17-Zoll-Räder und viel serienmäßiges Hartplastik im Innenraum. Haptik und Machart sind ernüchternd. Hohl klingend und nachlässig entgratet sitzt der schwarze Kunststoff in Armaturenbrett, Mittelkonsole und Türverkleidungen, dem ingeniös gestalteten Faltdach fehlt ein Innenhimmel. Kostendruck und Sparzwang sind tatsächlich mit den Händen greifbar. Nackt und karg wirkt ein Boxster ohne deutlich erkennbare Extras ‒ und davon gibt es viele. Tiptronic S, Hardtop, Soundsysteme... Selbst das kleine, transparente Plastikwindschott zwischen den Kopfstützen kostete Aufpreis.
Vieles, was billig aussieht, fasst sich auch günstig an. Dass hier keine optionale Klimaanlage vorhanden ist, passt ins Bild des scharf kalkulierten Einsteigermodells, aber was mögen Umsteiger des für die Ewigkeit gemachten 968 gedacht haben, als sie auf der Suche nach einem neuen kleinen Porsche in den neuen Boxster stiegen?
Der ein Stück zu lang geratene Schaltknüppel ist den Frontmotor-Typen zumindest ähnlich, die Boxster-Sitze sehen besser aus, als es sich in ihnen sitzt. Breit und bequem wirken sie, sind aber eher eng, wenig atmungsaktiv ‒ und es fehlt an Beinauflage. Wer einen 986 liebt, lebt auch damit.
Das Offenfahrvergnügen, befeuert durch das seriell auf Knopfdruck öffnende Dach, ist serienmäßig und ein Schlüsselreiz des 986. Ziemlich exakt zwölf Sekunden dauert es, und im Boxster geht die Sonne auf.

[...]


CHRONOLOGIE

© Roman Rätzke
Im Herbst 1996 erscheint der Boxster. Fronthaube, Kotflügel und Türen, Scheinwerfer-Einheiten und das Chassis bis zur A-Säule sind bei Boxs- ter und 996 identisch. Ein elektrisches Stoffdach ist serienmäßig, der wassergekühlte Sechszylinder-Boxermotor mit VarioCam-Technik und 2,5 Litern Hubraum leistet 204 PS. Zum Modelljahr 1998 führt Porsche die Ausstattungspakete "Sport" und "Trend" ein, 18-Zoll-Räder und das "Classic"-Paket mit gehobener Ausstattung folgen ein Jahr später. Nach den Werksferien 1999 erscheint der Boxster S mit 3,2-Liter-Motor, 252 PS und Sechsgangschaltgetriebe, das Basismodell verfügt ab sofort über 2,7 Liter Hubraum und 220 PS. Der Verzicht auf "Spiegelei"-Scheinwerfer ist möglich. Zum Modelljahr 2003 erhält der Boxster aufgefrischte Technik, überarbeitete Bug- und Heckteile mit Blinkern hinter Quarzglas sowie ein Handschuhfach. Der Boxster leistet 228 PS, das S-Modell erst 260, schließlich 266 PS. Das Modelljahr 2004 feiert Porsche mit der auf 1953 Einheiten limitierten Spezial-Version "50 Jahre 550 Spyder", ausgerüstet mit Sechsgangschaltgetriebe, 266 PS und Ausstattungsmerkmalen des Carrera GT. 2005 folgt der Wechsel zum neuen Boxster vom Typ 987.

SOLL + HABEN
Das Gebrauchtwagentief liegt hinter ihm, der 986 gilt nicht mehr auto- matisch als billiger 911-Ersatz. Das leichtfüßige Handling und die knackige Form begeistern heute wie lange nicht mehr, und Rost ist so gut wie kein Thema ‒ Daumen hoch. Im Minus steht der Ur-Boxster wegen seiner teilweise erschreckend billigen Innenraum-Materialien sowie der kaum kalkulierbaren Gefahr eines Motorschadens. Die Zwischenwellen kranken an defekten Lagern, die Zylinder an ihren Lokasil-Laufflächen, Kurbelwellen-Dichtringe und Motorkühlung sind ebenfalls Schwachstellen. Gefahr droht außerdem durch schlampige Vorbesitzer, die War- tung und Pflege vernachlässigt haben.

AUSWAHL + EMPFEHLUNG
Der Boxster ist noch jung, die Auswahl an Fahrzeugen groß. Wenn es um Form und Offenfahren geht, reicht der Ur-Boxster mit 204 PS. Originale, gepflegte Autos mit Handschaltung ziehen im Preis schon an, Modelle mit Tiptronic sind günstiger. Mehr Fahrspaß und Qualität für wenig Aufpreis liefert die Facelift-Version mit 2,7 Litern Hubraum und 220, später 228 PS. Als ideale Verbindung zwischen ursprünglicher Optik und Porsche-typischer Leistung gilt zu Recht die S-Version mit 3,2 Litern Hubraum, 252 PS und Sechsgangschaltgetriebe. Etwas moderner im Look und somit eine Frage des Geschmacks: die ab Modelljahr 2003 gebauten 986 mit gestraffter Form und neuen Blinkleuchten, deren Plus an Leistung jedoch kaum ins Gewicht fällt. Heute schon ein Fall für Sammler: das Sondermodell "50 Jahre 550 Spyder", limitiert auf 1953 Stück.

ANGEBOT + NACHFRAGE
Die Tiefpreisphase ist vorbei. Um die 10.000 Euro kosten ordentliche frühe Basis-Boxster. Jüngere Modelle sind um die 3000, S-Versionen um rund 5000 Euro teurer. Autos mit Schaltgetriebe notieren höher, ebenso verhält es sich mit Autos in ungewöhnlicher Farbgebung und Ausstattung oder mit speziellen Extras, wie bspw. Pastellgelb mit savannabeigem Leder oder mit optionalen Aufsätzen in buckliger Speedster-Optik. Wenn ansonsten alles passt und der Preis stimmt, darf es auch ruhig mal eine "Tipse" sein.


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Kommentare
  • Matthias Clauß
    02.07.2019, 09:47 Uhr
    Danke für diese objektive “Boxster-Berichterstattung”! Es ist schade, dass der 986/1 keinen originalen Front- stoßfänger trägt, denn dieser unterstreicht die von Harm Lagaay gewollte Ähnlichkeit zum 550! Es handelt hier um eine 996 Pu-Haut. Die erste Boxstergeneration besticht durch ihre Designdetails. Diese organische Ästhetik macht diese erste 986 Generation zeitlos. Die wirtschaftliche Aufgabe dieser Linie lag ja darin, die Unabhängigkeit der Marke damals zu sichern! Das dürfen die 911 Enthusiasten nicht vergessen! Jeder Porsche ist ein Porsche und ist ein wichtiger Mosaikstein der Porschegeschichte.

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