Hans Mezger über den Porsche 911

Der Motor-Macher

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PORSCHE FAHRER unterhält sich mit Hans Mezger, jenem Motorentechniker, der eher still im Hintergrund arbeitete. Die Rennwagen, deren Motoren er konstruierte, kennt man, auch die Fahrer. Mezger war selten zu sehen auf den Bildern, dabei gehört er zu denjenigen, die die Grundlagen für die Siege der Porsche-Rennwagen legten. Uns erzählt er von seinem Einstieg bei Porsche und den Schritten hin zum Motor des Porsche 911.

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Hans Mezger mit einem Modell des Porsche 956
26 Angebote hatte Hans Mezger vorliegen, doch von Porsche war keines dabei. „1956 war die Zeit des Wirtschaftswunders“, erinnert er sich. Er hatte sein Maschinenbaustudium in Stuttgart abgeschlossen. Eine Anstellung in der Luft- und Raumfahrttechnik hätte ihn gereizt: „Aber daran war zur damaligen Zeit nicht zu denken.“ Dieser Bereich entwickelte sich in Deutschland erst viel später.

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Maschinenbau-Absolventen waren gefragt: Opel in Rüsselheim wollte den damals 26-jährigen anwerben – und gleich für zwei bis drei Jahre in die Amerika-Zentrale zu General Motors schicken: „Das hat mich schon gereizt, um meine Englisch-Kenntnisse zu verbessern.“
Mezger zu Opel, in einen Großkonzern? Was ihm ehemalige Mitstudenten von der Arbeit bei großen Unternehmen erzählten, ließ ihn zögern: „Da macht man immer nur das Gleiche und hat nur mit einem Teil zu tun wie zum Beispiel dem Vergaser, sagten sie mir. Und ich wollte doch an allen Teilen eines Automobils arbeiten.“ So schrieb er einen Brief an Porsche. Kontakte hatte er ins Werk nicht, seine Praktika während des Studium absolvierte er in Gießereien und Bearbeitungsbetrieben: „Ich kannte das Porsche-Werk von außen. Als ich meinen Führerschein machte, bin ich öfter vorbeigefahren. Die Wagen gefielen mir.“

Einladung zu Porsche Diesel

Er erhielt eine Einladung – zu Porsche Diesel, der Abteilung, die sich um die Entwicklung der Porsche-Schlepper kümmerte. Es sei ein freundliches Gespräch gewesen mit dem Herren dort, erinnert er sich. „Doch ich sagte ihm auch, dass sich lieber bei den Sportwagen arbeiten würde.“ So ging man auseinander, man versprach ihm, seinen Wunsch weiterzuleiten. „Ich war sicher, dass ich noch etwas hören würde, denn Porsche war ja eine seriöse Firma.“ Er bekam noch einmal Post – und diesmal die Chance, die er sich wünschte: „Ich wurde innerhalb der großen Konstruktionsabteilung in einem kleinen Bereich untergebracht, dem technischen Berechnungsbüro: Dort saßen bisher zwei Leute, durch meinen Zugang stiegt die Stärke dort um 50 Prozent“, lacht er. Jeder, der etwas zu berechnen hatte, kam so zu ihm, Serien- oder Rennsportabteilung.

Wechsel in den Rennsport

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Hans Mezger im Jahr 1970
Rund drei Jahre blieb er dort, Anfang 1960 wurde er in das Team geholt, das den Porsche Formel 1-Rennwagen 804 entwickeln sollte. Dort war er an den Entwurfsarbeiten für einen neuen Motor beteiligt, denn der bisher verwendete Fuhrmann-Motor, ein Vierzylinder-Boxer mit Königswellen, war am Ende seiner Entwicklungsmöglichkeiten angelangt. „Wir waren elf oder zwölf Konstrukteure, der Raum war klein, wir passten kaum alle dort hinein.“ Alle Bauteile für den Wagen wurden in diesem Zimmer entworfen, „bis auf das Getriebe, da hatten wir im Werk einen Spezialisten, der baute die praktisch im Alleingang“.

Die neue Motor-Konstruktion bekam die Bezeichnung Typ 753 und war ein Achtzylinder-Boxermotor mit 1,5 Liter Hubraum, entsprechend dem damaligen Limit in der Formel 1. „Rückblickend muss ich vielleicht doch sagen, dass es ein recht komplizierter Motor war, denn der Antrieb der vier oben liegenden Nockenwellen erfolgte über Königswellen und die sind schwer einzustellen. Eine gute Konstruktion muss einfach sein, aber nicht primitiv, war immer mein Credo.“ Späte Versionen, da war das Projekt aber intern schon gestoppt und man arbeitete mit Restbeständen, brachten 200 PS auf dem Leistungsprüfstand. Parallel dazu entstand auch eine Ausführung mit 2 Litern Hubraum für Langstreckenwagen, die später noch in einigen Fahrzeugen wie dem 904, dem 906, dem 907, dem 909 oder dem 910 zum Einsatz kam, teilweise aufgebohrt auf 2,2 Liter mit einer  Leistung von bis zu 275 PS.

Der einzige Formel-1-Sieg für Porsche

Dan Gurney gewann mit dem Porsche 804 im Jahr 1962 den Grand Prix von Frankreich, doch insgesamt brachte das Formel 1-Engagement nicht den Erfolg, den man sich in Zuffenhausen erhoffte. Es sollte der einzige Sieg bleiben in der Formel 1 für einen Porsche – bis heute. Hans Mezger erinnert sich an eine interne Hausmitteilung von Hans Tomalla, in dem noch vor Abschluss der 1962er-Saison der Rückzug verkündet wurde. Für ihn kam so die Zeit für einen erneuten Wechsel.

Neue Motor-Generation

„Ende der 50er Jahre herrschte im Haus ein ungeheure Aufbruchsstimmung“, blickt Hans Mezger zurück. Die Geschäfte seien gut gelaufen, man arbeitete am Einstieg in die Formel 1, parallel dazu begannen die Entwicklungen für einen Nachfolger des Porsche 356 – und eines passenden Motors dafür. Im Juni 1959 sei der Auftrag erteilt worden, einen neuen Serienmotor zu planen, den so genannten Typ 745. „Er war aber doch recht nah angesiedelt an der Konstruktion, von der man sich trennen wollte“, meint Mezger mit Blick auf den Vier-Zylinder-Boxermotor des Porsche 356. Es war ein Sechszylinder-Boxer mit zwei Liter Hubraum. Er sollte die Leistung bringen, die der Vier-Zylinder-Fuhrmann-Motor in seiner letzten Ausbaustufe als Straßenversion mit 2 Litern Hubraum erreichte – 130 PS.

Chefingenieur war Klaus von Rücker, Versuchsleiter Leopold Jänschke kam vom tschechischen Autohersteller Tatra. Das Aggregat besaß zwei im Motorblock untergebrachte Nockenwellen. Die oberhalb der Kurbelwelle trieb die Einlassventile an, die unterhalb die Auslassventile. Die Kurbelwelle war vierfach gelagert. „Der lief nicht lange auf dem Prüfstand“, sagt Mezger, denn schnell zeigt es sich, dass man auf diesem Weg sein Ziel nicht erreichen würde. 120 PS bei 6500 U/min waren weniger als man erhoffte, die Art der Kurbelwellenlagerung und des Ventiltriebs setzten Leistungssteigerungen durch höhere Drehzahlen enge Grenzen.

Der Wechsel von Hans Mezger Anfang 1963 in das Team für die Motorentwicklung markiert einen Wendepunkt in der Entwicklung. Er vermutet, dass das Ende des Formel-1-Projektes auch im Zusammenhang stand mit der wenig zufriedenstellenden Entwicklung des neuen Serienmotors für den 356er-Nachfolger. „Es gab dafür verschiedene Anläufe, die nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatten.“ So konzentrierte man die Kräfte in der Firma auf die Entwicklung des 356er-Nachfolgers. Bereits im April 1962 hatte Hans Tomalla Klaus von Rücker abgelöst, man dachte über grundlegende Änderungen nach. Der Motortyp 745 wurde umkonstruiert, wenn auch Eckdaten erhalten blieben wie der Zylinderabstand und der Hubraum. Man habe aus Kostengründen vorhandene Gussformen für das Kurbelgehäuse  weiterverwenden wollen, vermutet Mezger. So wurden die Formen umgestaltet, um den neuen technischen Anforderungen der Konstruktion Rechnung zu tragen. „Bei Porsche wurde da schon auf die Kosten geachtet.“

Viele grundlegende Änderungen

„Es gab noch viel zu tun, als ich im Januar dazu kam“, erinnert er sich. Die Nockenwellen wanderten über die Zylinderköpfe, also ohc (overhead camshaft), die Kurbelwelle war nun achtfach gelagert, um das Schwingungsverhalten bei hohen Drehzahlen zu verbessern. Mezgers Hauptaufgabe bestand darin, den Kettenantrieb für die Nockenwellen zu entwickeln, für den man sich entschieden hatte. Später gestaltete man die Ölversorgung über eine Trockensumpfschmierung, da änderte sich auch die Bezeichnung von Typ 821 auf 901. Damit besaß der Serienmotor jene Anlagen, die ihn auch für eine Rennversion tauglich machten. Der neue Motor erfüllte auch die Leistungsvorgaben: 130 PS bei 6500 U/min gab er ab.

Einsatz im Motorsport

© Porsche
Hans Mezger 1991 mit dem Formel 1-Motor Typ 3512
Ob die Verwendung als Rennsport-Motor von Anfang an im Lastenheft stand? Mezger hat eher Zweifel an so einer Vorgabe. Das habe sich im Laufe der Arbeiten entwickelt. Doch diese Möglichkeit markierte einen Einschnitt in der Motortechnik bei Porsche. Der Stoßstangen-Motor des Porsche 356 konnte seine Abstammung vom Käfer nie verleugnen. Für Rennsport-Versionen kam fast ausschließlich eine Königswellen-Variante mit oben liegenden Nockenwellen zum Einsatz, die von Ernst Fuhrmann entwickelt wurden, komplexe Rennsporttechnik, für den Einsatz in der Serie zu teuer und außerdem nur von Spezialisten zu reparieren. Dass die neue Konstruktion für den Porsche 911 zur Basis für unzählige Motorsportvarianten wurde - und allein 14 Gesamtsiege bei Le Mans auf sein Konto gehen – zeichnete sich damals nicht ab.

Seriengeometrien wurden übernommen

Die Motorsportkarriere der Maschine begann als eine modifizierte Serienversion, die  in erster Linie durch andere Materialien leichter ausfiel. Bis auf Eckdaten für Ventile, Nockenwellen und Kanäle behielt man die Seriengeometrien bei. „Die Rennversion haben wir ab 1963 parallel entwickelt. Das hat beiden Motorvarianten gut getan“, erinnert sich Mezger. Doch sie wurde nicht rechtzeitig fertig. „Es war geplant, den neuen Sechszylinder im Porsche 904 einzusetzen. Aber mit dem Bau der 100 Exemplare für die Homologation musste Ende 1963 begonnen werden, damit man Anfang 1964 genügend Wagen vorweisen konnte. So habe ich zusätzlich noch den Fuhrmann-Motor überarbeitet.“ In der Zwei-Liter-Version tauchten Probleme auf mit den Pleuellagern, der Schmierung, Schlepphebel liefen ein – und auch die Form der Nockenwelle wurde noch einmal geändert, um etwas Leistung zu finden. Erst später fand der neue 911-Motor auch seinen Weg in den Porsche 904. Er leistete bei zwei Litern Hubraum 210 PS bei 8000 U/min mit Vergasern. Der Einsatz einer Einspritzanlage setzte noch einmal 10 PS zusätzlich bei der selben Nenndrehzahl frei. Eine einmal eingesetzte Version mit vier obenliegenden Nockenwellen kam auf 230 bis 240 PS. Beim Porsche 906 löste er dann entgültig den betagten Fuhrmann-Motor ab.

In die Gestaltung des neuen Motors brachte Mezger auch wichtige Erfahrungen aus seiner Zeit im Formel-1-Projekt mit: Das betraf die Gestaltung der Brennräume. „Wir haben beim 8-Zylinder-Motor für das Formel-1-Projekt mit halbkugelförmigen Brennräumen begonnen und einem Winkel der Ventile von 90 Grad. Immer, wenn wir den Winkel geringer gestalteten, traten zwei Dinge ein: Die Leistung stieg, und der Verbrauch sank. Das ist ein Beispiel dafür, wie Erfahrungen aus dem Rennsport in die Serie getragen werden. Eine gute Brennraumgestaltung kostet kein Geld, habe ich immer angeführt.“

Ventilwinkel blieb immer gleich

An der entgültigen Anordnung der Ventile tüftelte man lange am Reißbrett. „So etwas wie Einzylinder-Versuchsmotoren für verschiedene Köpfe hatten wir nicht. Das ging vor allem mit Fingerspitzengefühl.“ Die Einlassventile wiesen schließlich einen Winkel von 27 Grad von der Vertikalen auf, die Auslassventile 33 Grad. In den über 30 Jahren, in denen der luftgekühlte 911-Motor in seiner Zwei-Ventil-Version zum Einsatz kam, habe sich daran nichts geändert, sagt Mezger, „weder bei den Straßen- noch bei den Rennversionen.“

Auch an anderer Stelle flossen Erfahrungen aus dem Rennsport in die Serie ein: Ab Juni 1968 wurden die Kurbelwellengehäuse aus Magnesium-Druckguss gefertigt. Dabei wurde nicht das selbe Fertigungsprinzip angefertigt wie bei den Magnesium-Gehäusen für den Motorsport: „Die wurden aufgrund der geringen Stückzahl mit einer etwas anderen Magnesium-Legierung in Sandguss produziert.“  Erst als der 911-Motor auf 3 Liter Hubraum vergrößert wurde, ging man auf eine Aluminium-Druckgussversion über, da sonst die Stege zwischen den Zylindern zu schwach geworden wären.

Welches Potential der 911-Motor auch in der Serie besaß, zeigte die zum Modelljahr 1967 präsentierte Variante 911 S. 160 PS fielen bei 6800 U/min an – damit erreichte Porsche eine Literleistung von 80 PS im Serienmotorbau, ein Wert, den neben Ferrari damals kein anderer Hersteller realisierte.

Hat er einen Favoriten unter den vielen Ausführungen des Porsche-911-Motors? Nein, meint er, aber es sei noch einmal beeindruckend gewesen, wie sich die Maschine in den späten Jahren verbessert habe dank dem Einsatz moderner Motorsteuerungen und Lasterfassungssysteme.

Porsche 911 Carrera 3.0 in der Garage

„Ich habe immer Wert darauf gelegt, einen privaten Porsche 911 zu besitzen neben meinen Dienstfahrzeugen“, betont er. 1979 legte er sich das Modell zu, das heute noch in seiner Garage steht: einen Porsche Carrera 3.0 aus dem Jahr 1977, in Grand-Prix-Weiß. „Das Auto hat heute keine 20 000 Kilometer auf dem Motor. Der Lack glänzt noch wie neu.“ Der Wagen lief zwei Jahre bei Porsche nur mit roten Nummernschildern, Hans Mezger ist deshalb als Erstbesitzer im Brief vermerkt.

Warum ist das erfolgreiche Motorkonzept nie von einem anderen Hersteller übernommen worden? „Ich vermute, die hatten Angst vor den Problemen der Luftkühlung“, sagt er. Dass sich andere Hersteller nicht an Porsche-Konstruktionen versuchten, erlebte er auch beim Thema Porsche 917.  „Ich war in England unterwegs und habe sicher fünfmal Vorträge über das Motorenkonzept des Rennwagens gehalten. Dabei haben wir auch viele detaillierte Informationen preisgegeben, so dass mich Leute schon ansprachen, warum wir das machen. Trotzdem hat niemand versucht, uns zu kopieren.“

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