Im Porsche 911 durch alle US-Nationalparks

On the road

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Von der KI generierte Bilder werden ja immer besser. Auf den ersten Blick sah das Foto von Jeff Rhoades' Elfer recht überzeugend aus, aber auf keinen Fall würde jemand mit einem 991 so wild driften, dass es aussieht wie auf dem Cover eines Rallye-Spiels. Das Dachzelt machte das Ganze noch unglaubwürdiger, ebenso wie die perfekt positionierten Berge im Hintergrund. Aber, Moment mal! War das alles etwa echt?
© Jeff Rhoades

Das nächste Bild war eine Landkarte mit vielen Linien, die äußerst anspruchsvolle Routen nachzeichneten. Langsam wurde mir klar, dass das hier wirklich passiert war. Dies ist die Geschichte dieser unglaublichen „Ausflüge“, von denen die meisten von uns nur träumen können – und eine Geschichte über den Besitz eines Porsche.

Zu Jeffs frühesten Erinnerungen gehören Bilder von und Spiele mit Spielzeugautos. Aber schon damals waren es Porsche, die er zeichnete und über den Teppich schob. Doch erst mit 35 Jahren konnten er und einige seiner Freunde sich ihre Traumautos leisten. Einige entschieden sich für einen Porsche, andere für einen Ferrari, aber für Jeff musste es, drei Jahrzehnte nachdem er zum ersten Mal mit seinen Druckgussmodellen gespielt hatte, ein Elfer sein.

Die Ansprüche waren hoch: Er brauchte einen, der seine ultimative Ein-Auto-Lösung sein konnte. Einen zuverlässigen Alltagswagen, der allen Wetterbedingungen gewachsen war, der mühelos Kilometer auf ausgedehnten Touren abspulen konnte, der in der Lage war, durch unwegsames Gelände zu fahren, um entlegene Wanderwege zu erreichen ... und auf Rennstrecken bewegt werden konnte. Glücklicherweise waren all diese Anforderungen bei der Entwicklung des 991.2 von Porsche berücksichtigt worden.

© Jeff Rhoades

GEBRAUCHTER 911 MIT GARANTIE

„Porsche Nordamerika hat ein sehr gutes Programm für zertifizierte Gebrauchtwagen“, sagt Jeff. „Ein Neuwagen hat eine Garantie von vier Jahren und 50.000 Meilen (80.000 km), während ein zertifizierter Gebrauchtwagen eine Garantie von sechs Jahren und unbegrenzten Kilometern hat!“

2019 fand er einen weniger als zwei Jahre alten 991.2 mit dem (normalerweise) unkaputtbaren 3-Liter-Turbomotor und nur wenigen tausend Kilometern Laufleistung. Beim Scrollen durch den Bordcomputer stellte er fest, dass die höchste aufgezeichnete Geschwindigkeit nur 115 km/h betrug! Jeff hatte es nicht nur geschafft, sein Traumauto zu bekommen, er hatte anscheinend auch ein echtes Schnäppchen gemacht.

Bei der ersten Fahrt an die Küste von Oregon konnte er noch nicht ahnen, wie oft er seinen Elfer in den nächsten Jahren fahren würde – heute stehen fast 300.000 Kilometer auf dem Tacho.

Kurz nachdem Jeff den Wagen gekauft hatte, begann er, ihn nach seinen Vorstellungen zu verbessern. Als Anwalt war er darauf bedacht, nur Dinge zu verändern, die die wichtige Garantie nicht gefährden würden. Also beschränkte er sich zunächst auf kosmetische und offizielle leistungssteigernde Modifikationen. Um für jede Fahrsituation gerüstet zu sein, kaufte er sich drei Sätze Räder und Reifen: für den Winter, für die Rennstrecke und für den Allzweckeinsatz.

Die Garantie erwies sich als sehr nützlich, als der Sechszylinder-Boxer bei Bummeltempo und Kilometerstand 60.000 beschloss, den Dienst zu quittieren. Der Neuaufbau des Motors nahm einige Monate in Anspruch, aber die folgenden fast 270.000 Kilometer legte der Wagen völlig problemlos zurück. Und die waren durchaus anspruchsvoll.

Die Idee für seine erste große Reise ging auf Jeffs Kindheit zurück. So wie seine Liebe zu Porsche in frühen Jahren begann, so war es auch seine Freude an Entdeckungen und der freien Natur, denn seine Großeltern nahmen ihn oft auf Campingausflüge durch Oregon mit. Erste geplante Tour: Ein zweiwöchiger Urlaub, um eine Hochzeit in Colorado und einen für ihn unbekannten Teil des Landes zu besuchen.

NACHTQUARTIER AUF DEM DACH

Jeff hatte im Vorfeld dieser Reise in ein weiteres Zubehör für den 991 investiert: ein Dachzelt. Wiederum aus zweiter Hand gekauft, nachdem es jemand nur einmal benutzt hatte, wurde es unter einer einzigen Voraussetzung ausgewählt: Es sollte so leicht wie möglich sein. Das Yakima Skyrise wiegt nur 43 Kilogramm, was im Vergleich zu einigen anderen Zelten auf dem Markt eher wenig ist. „Ich wollte den Komfort und die Möglichkeit haben, mein Nachtquartier innerhalb von drei Minuten aufbauen zu können, ohne die Fahrdynamik des Autos zu beeinträchtigen.“ Das Dachzelt macht zwar etwas Lärm und erhöht den Kraftstoffverbrauch um etwa 15 Prozent, aber das wird durch die entfallenen Kosten für die Hotels ausgeglichen, in denen er sonst übernachten müsste.

Auf dieser Reise im Jahr 2022, als Jeff in einem Rasthaus in Colorado zu Mittag aß und nach seinem nächsten Ausflugsziel Ausschau hielt, bemerkte er, dass er nicht weit vom Black Canyon im Gunnison National Park entfernt war. „Ich hatte noch nie von dem Nationalpark gehört, aber die Bilder sahen interessant aus. Also stellte ich kurzentschlossen das Navi ein und fuhr nach Süden. Als ich ankam, war ich absolut überwältigt. Die steilen Klippen des über 600 Meter tiefen Canyons waren atemberaubend. So etwas hatte ich noch nie gesehen, und ich war sofort begeistert. Da beschloss ich, einfach jeden Nationalpark zu besuchen!“

© Jeff Rhoades

Im folgenden Jahr wollte ein Freund mit seinem Ferrari an einer Veranstaltung auf der Rennstrecke Road America in Wisconsin teilnehmen. Das inspirierte Jeff dazu, sich auf eine Mammutreise quer durch das Land zu begeben. Auf dem Weg nach Wisconsin besuchte er weitere Nationalparks, feuerte seinen Freund an der Rennstrecke an und fuhr weiter bis zum Atlantik, bevor er sich auf den Weg zurück an die Westküste machte.

Bis zum Sommer 2024 hatte Jeff 46 von den insgesamt 51 Nationalparks der USA angefahren. Wenn es ihm gelänge, die verbleibenden fünf bis Anfang September zu besuchen, hätte er innerhalb eines Jahres alle 51 Nationalparks mit seinem 911 geschafft ... Das war nicht nur ein Plan, es war eine Herausforderung!

Im August machte er sich auf den Weg, um in 13 Tagen die letzten fünf Parks anzusteuern. Der Plan wurde schnell durchkreuzt, als die Passagierfähre nach Isle Royal in der Mitte des Lake Superior wegen schlechten Wetters Verspätung hatte. Schnell wurde ihm klar, dass er sein Ziel dennoch erreichen konnte, indem er die Parks an der Ostküste, die er vor einem Jahr angefahren hatte, erneut besuchte. Auf diese Weise würde sich die 365-Tage-Frist um ein paar Tage nach hinten verschieben.

© Jeff Rhoades

Über Acadia, die Everglades und Biscayne schaffte er es bis zu den Dry Tortugas in Florida und hatte noch zwei Tage Zeit. Mission erfüllt! Doch als er in einem Café in Key West saß, mit einen Kaffee in der einen und der Landkarte in der anderen Hand, wurde ihm klar, dass er sich durch die Besichtigung der Parks auf dem Weg dorthin ungewollt das Ziel gesetzt hatte, in einem einzigen 50-tägigen Roadtrip alle 51 Nationalparks und alle Bundesstaaten der USA mit Ausnahme von Alaska und Hawaii zu besuchen.

KEIN PLAN WAR DER PLAN

Der Zeitplan war ehrgeizig. Es würde eine Menge Fahrerei, sehr wenig Schlaf und eine Menge Dinge erfordern, die zusammenpassen mussten, um das zu schaffen. „Es war eine einmalige Gelegenheit, also gab ich mir einen Ruck und nahm sie wahr“, sagt Jeff. „Ich unternehme meine Reisen nach dem Motto 'Vorsätzliche Spontaneität'. Ich plane die Routen bewusst nicht im Voraus. Das gibt mir die Freiheit, mich nach Belieben anzupassen, wenn die Neugierde zuschlägt und sich Gelegenheiten wie diese ergeben.“

Sein Plan ist, keinen festen Plan zu haben. „Ich bin ganz zufrieden damit, auf dem Weg schöne Straßen, tolle Cafés und großartige Restaurants zu entdecken. Aber eine Herausforderung und ein Ziel zu haben, das es zu erreichen gilt und bei dem die Zeit eine entscheidende Rolle spielt, verleiht der Fahrt eine ganz neue Perspektive. Ich liebe es! Und mein 911 ist das perfekte Auto dafür!“

© Jeff Rhoades

Von der Überwindung von Passstraßen, der knappen Umfahrung von Wirbelstürmen, dem Kampf zum Gipfel des Logan Pass in Glacier während eines Sommerschneesturms auf Michelin-Cup2-Reifen, mehreren Reifenpannen mitten im Nirgendwo, der Beschaffung und Montage zweier neuen Reifensätze und der Planung von Ölwechseln auf dem Weg einmal abgesehen, war Jeff noch mit einem besonderen Problem konfrontiert: Die Entriegelung des hinteren Deckels war defekt. „Die Öllampe leuchtete auf, also hielt ich an, um etwas Öl nachzufüllen, aber die Motorklappe ließ sich nicht öffnen. Der Entriegelungszug hatte sich vom Schloss gelöst, das beim 991.2 völlig unzugänglich ist. Die einzige Möglichkeit war, das hintere Lüftungsgitter aufzuschneiden und einige Leitungen zu entfernen, damit ich die Verriegelung manuell mit einem Haken öffnen konnte."

800 KILOMETER FAHREN, 10 KILOMETER WANDERN – TAG FÜR TAG

Das Ende der Reise war viel ergreifender, als Jeff erwartet hatte. Seine Liebe zur Natur und zum Campen entstand aus den Abenteuern seiner Kindheit mit seinem Großvater. „Mein Großvater war begeistert von dem, was ich mit dem Porsche unternahm, und freute sich, dass ich Orte in den USA sehen konnte, die er nie gesehen hatte. Doch am Morgen des 47. Tages der Reise erhielt ich die Nachricht, dass er verstorben war. Ich hatte gerade einen wunderschönen Sonnenaufgang über dem Crater Lake erlebt, und ich habe das Gefühl, dass er an diesem Morgen diesen perfekten Sonnenaufgang mit mir geteilt hat.“

Als Jeff in North Cascades, dem 51. Park der Reise, ankam, hatte er in 50 Tagen über 40.000 km zurückgelegt und jede Nacht im Dachzelt übernachtet. Er schaffte es auch, über 480 Kilometer zu wandern, zum östlichsten, südlichsten und westlichsten Punkt der USA zu reisen, auf den Gipfel des Pikes Peak zu fahren und durch das Badwater Basin, den tiefsten Punkt der westlichen Hemisphäre, zu laufen und vieles mehr. Die meisten von uns brauchen Jahre, um das zu schaffen, was Jeff in einzigen Reise absolviert hat.

© Jeff Rhoades

„Mit durchschnittlich über 800 Kilometern Fahrt und rund 10 Kilometer Wanderung pro Tag und weniger als 4 Stunden Schlaf pro Nacht an 50 aufeinanderfolgenden Tagen war das Unternehmen nicht einfach. Es hat mich körperlich, geistig und emotional an meine Grenzen gebracht. Es gab so viele Rückschläge und Herausforderungen, die sich auf dem Weg ergaben. Es gab so viele Momente, aufzugeben und nach Hause zurückzukehren. Aber ich habe weitergemacht und das hat mir ein tolles Erfolgserlebnis und schöne Erinnerungen beschert, die ich nie vergessen werde.“

Nach dem 19. Ölwechsel, dem 18. Satz Michelin-Reifen und dem zweiten Motor steht für Jeff fest, seinen geliebten Elfer für immer zu behalten. Und außerdem ist da ja noch Alaska.


Dieser Artikel erschien in Ausgabe 3-2025 mit vielen weiteren Bildern.

Text: Robb Pritchard · Übersetzung: Manfred Kolb

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